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Cold War – The Wall – Die Mauer

Viele Jahre bin ich täglich auf dem Weg zu meinem Atelier im Prenzlauer Berg an der Mauer am Ende der Eberswalder Straße vorbeigekommen. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine Aussichtsplattform – und natürlich war die Mauer auch in meiner Kunst ständig präsent. So entstanden Werke mit Titeln wie „Mauerspringer“, „Belle Vue“ oder „Mann vor Mauer“. Ich musste diese Bilder einfach malen, obwohl mir bewusst war, dass ich sie damals nicht öffentlich zeigen durfte.

Im Sommer 1989 organisierte das Künstlerhaus Bethanien Zwischenspiele, eine Ausstellung mit jungen Künstlern aus der DDR. Am Morgen des 9. November fuhren Sabine Herrmann und ich nach West-Berlin, um die Ausstellung zu besuchen und einige Freunde zu treffen. Am Abend, auf dem Rückweg, überquerten wir den Kontrollpunkt an der Friedrichstraße. Was wir dort erlebten, war eine völlig surreale Situation, die wir zunächst gar nicht einordnen konnten – wir hatten keine Nachrichten gehört. Tausende Menschen drängten sich von Ost nach West. Die Mauer war geöffnet. Teil der Friedlichen Revolution zu sein und den Moment des Mauerfalls mitzuerleben, war ein tiefgreifendes, unvergessliches Erlebnis.

Die Zeit danach war überwältigend. Das Interesse an der Kunst aus der DDR war zunächst enorm. Bereits im Januar 1990 fand in Paris im Kulturzentrum La Villette, einem ehemaligen Schlachthof, eine umfangreiche Ausstellung statt – mitorganisiert von Christoph Tannert und unterstützt vom französischen Kulturminister Jack Lang. Rund 200 Künstler, Schauspieler, Modedesigner, Tänzer und Kollektive vermittelten in Performances, Ausstellungen und Konzerten einen Einblick in die junge, alternative Kulturlandschaft der DDR. In meiner Erinnerung war dies die beste Retrospektive der 1980er Jahre – und zugleich das letzte Kapitel eines intensiven Jahrzehnts ostdeutscher Kunst. Die Ausstellung endete mit einem Empfang bei François Mitterrand im Élysée-Palast – ein symbolischer Abschluss dieser außergewöhnlichen Veranstaltung.

Nur wenige Monate nach dem Mauerfall wurde ich zur Biennale di Venezia eingeladen, um meine Arbeiten dort zu zeigen. Die Berlinische Galerie präsentierte im italienischen Hauptpavillon der Giardini die Ausstellung Ambiente Berlin, einen Überblick über die West-Berliner Kunstszene – erweitert um lediglich fünf Künstler aus Ost-Berlin. Für mich war alles neu und aufregend: die Reise, Venedig, die Eröffnung, die vielen Begegnungen mit Kunstschaffenden aus aller Welt.

Die meisten meiner Werke aus den 1980er Jahren befinden sich heute in privaten oder öffentlichen Sammlungen. Manchmal vermisse ich sie. Diese Bilder sind stark expressionistisch geprägt – beeinflusst von Musik und meinen Erfahrungen während des Kalten Krieges. Als Georg Baselitz begann, Remixe seiner eigenen Werke zu schaffen, inspirierte mich das dazu, einige meiner alten Arbeiten ebenfalls neu zu interpretieren. Den Anfang machte Seele brennt(1989). Als Vorlage diente mir eine Reproduktion aus dem Katalog der 44. Biennale von 1990, die ich auf kleiner Leinwand erneut malte. Der Malprozess wurde zu einer Reise in meine Vergangenheit: Im Terpentindunst kamen plötzlich Erinnerungen zurück – an die Musik, die ich damals hörte (Einstürzende Neubauten – Halber Mensch), an meine inneren Kämpfe mit der Leinwand und an mein Leben in Ost-Berlin. Die Remixe wurden zu meinen Madeleines(nach Marcel Proust) – zur Essenz der Vergangenheit – und riefen lange verschüttete Erinnerungen wach.

Scroll down for an English version.

 

 

Cold War – The Wall – Die Mauer

For many years, on my way to my studio in Prenzlauer Berg, I passed the Wall at the end of Eberswalder Straße. On the other side stood a viewing platform — a silent stage of division. Naturally, the Wall found its way into my work. Paintings such as Mauerspringer, Belle Vue, and Mann vor Mauer emerged, created out of necessity — though I knew they couldn’t be shown publicly at the time.

On November 9, 1989, my friend Sabine Herrmann and I traveled to West Berlin to visit our exhibition Zwischenspiele at Künstlerhaus Bethanien. That evening, as we crossed the checkpoint at Friedrichstraße, we found ourselves in the midst of history: thousands of people surging across the border. The Berlin Wall had opened. We hadn’t heard the news — the moment caught us completely unprepared. It was overwhelming to suddenly find ourselves part of the Peaceful Revolution.

Soon afterward, my art began to travel, too. In January 1990, a large exhibition at La Villette in Paris featured over 200 artists from the GDR’s vibrant underground scene — organized with Christoph Tannert and supported by France’s Minister of Culture, Jack Lang. It was, for me, the most complete retrospective of the 1980s in East Germany — and the closing chapter of a transformative artistic era. The event culminated in a reception with President François Mitterrand at the Élysée Palace.

Just months after the Wall came down, I was invited to exhibit at the Biennale di Venezia. The Berlinische Galerie curated Ambiente Berlin, a show that brought together West Berlin’s art scene with five artists from the East. Displayed in the Italian Pavilion at the Giardini, it marked my first encounter with the international art world — Venice, the openings, the art crowd — everything was new and electrifying.

Most of my 1980s works now belong to private or public collections. I sometimes miss them. They were shaped by the music of the time, the tensions of the Cold War, and my life in East Berlin. Years later, inspired by Georg Baselitz’s Remixes, I began to repaint some of them. The first was Seele brennt (1989), recreated from a reproduction in the Venice Biennale catalog. The act of painting became a return: the scent of turpentine, the memory of Einstürzende Neubauten, the struggle with the canvas — all came flooding back.

These Remixes became my Madeleines — a key to memory, a portal to lost time.

 


2025, Interview mit Jan Kage im MONOPOL – Magazin für Kunst und Leben.

2023, Kevin Hanschke und Ingolf Kern, Der Maler Klaus Killisch im Interview (English / deutsch), SPKMagazin
Interview about the art scene in East Berlin during the 1980s and the significance of his East German socialization.

2023, Ingeborg Ruthe, Werk der Woche, Berliner Zeitung

2022, Kunst in Berlin 1985–1995: Sabine Herrmann & Klaus Killisch, Interview

2021, Bernd Lindner, Über Mauern. Teilung, Friedliche Revolution und Deutsche Einheit
in der bildenden Kunst, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, ISBN
978-3-8389-7222-0

2019, Point of no Return: Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst, Hirmer Verlag,
ISBN 978-3777434087

2016, Anna Havemann und Jutta Götzmann in „Die wilden 80er Jahre in der deutsch-
deutschen Malerei“, Michael Imhof Verlag, DIK Verlag UG, ISBN 978-3-7319-0418-2

2016, Christoph Tannert und Eugen Blume in „Gegenstimmen“, Deutsche Gesellschaft
e.V., ISBN 978-3-941230-51-4

2011, Anke Kuhrmann in: “Die Berliner Mauer in der Kunst”, Ch.Links Verlag, ISBN
978-3861536529

1990, L’autra Allemagne hors les murs, Ausstellungskatalog, Interview

1989, Junge Künstler der DDR und Cubas, Ausstellungskatalog, Interview
Für den Umschlag und das Plakatmotiv würde überraschenderweise ein Teil des Bildes Mauerspringer verwandt. Nachdem im RIAS Berlin ein Rezensent der Ausstellung sein positives Erstaunen bekundet hatte, dass in die DDR-Kulturpolitik offensichtlich Bewegung käme, wenn nun schon solch brisante Themen auf Plakaten aufgegriffen werden könnten, wurden die Plakate wieder abgenommen.

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